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Investition – mehr als Geld

Neulich las ich mal wieder eine Presseveröffentlichung. Die Politik hat mit der Wirtschaft einen Digitalisierungspakt vereinbart. Und es gibt natürlich hierzu ein Förderprogramm. Also Geld. Als alter Digitalisierer frag ich mich, wann endlich die Analogen verstehen wie Digitalisierung eigentlich funktioniert. Und da komme ich immer wieder zuerst an einen recht alten, aber immer noch wahren Begriff, der nicht nur auf die Digitalisierung anwendbar ist: Das Investitionsdelta.

In der obigen Grafik habe ich es mal bildlich aufgezeigt, was man darunter verstehen kann. Da würde mir sofort jeder Manager und Politiker, Gewerkschafter und Unternehmensberater recht geben und zur Bank rennen, Fördertöpfe aufmachen, Arbeitsplatzabbau befürchten und umstrukturieren. Denn sie machen da alle einen Fehler: Investition hat erst mal nix mit Geld oder Effektivitätssteigerung zu tun, sondern ist eine Philosophie, ein Ethos, ein soziales Miteinander.

In der Grafik wird beispielhaft die Investition anhand der Konstruktionsebene betrachtet. Macht man einen Wechsel von der klassischen 2D-Zeichnung zu 3D ist das bei weitem nicht nur ein Wechsel eines CAD-Systems. Ja, oftmals wird dies so singulär betrachtet. Argument des CAD-Vertriebs: Man kann Probleme früher erkennen, besser betrachten, erreicht fehlerfreiere Konstruktionen. Sicherlich alles nicht unrichtig, doch aus unternehmerischer Sichtweise bei weitem nicht ausreichend. Dann schickt man die Konstruktionsabteilung zur Schulung, und nach 1-2 Wochen sind alle 3D. OK, ehrliche Vertriebsfirmen nennen da einen längeren Zeitraum, da man ja das in der Firma umsetzen muss. Und dann wird alles besser sein. Und gerade im Holzumfeld ist das leider nicht immer so, also eher seltener so, da die Konstruktion an sich ja nicht so schwierig ist, zumindest wenn man rechteckige Korpusse macht. Angeblich. Und dann beschwert sich der Chef, dass die Investition sich wohl nicht so rechnet. Was passiert da, ist Digitalisierung also nur was für die „Komplexen“, die „Industrie“?

Bei weitem nicht. Ich gehe sogar soweit, dass es dort am wenigsten bringt. Das Problem ist, dass wir verstehen müssen, dass eine Investition mehr ist als nur Geld auszugeben, eine Abteilung zu schulen, und dann dem Ganzen ein wenig Zeit zu geben.

Bei einer Investition geht man immer von einem IST-Zustand aus und will zu einem Soll-Zustand, also z.B. von der 2D-Zeichnung zu einem 3D-Volumenenmodell. Dieser Sprung bedarf, ja, sicherlich neuer Software, Schulung und evtl. Unternehmensberatung. Doch ist weitaus mehr notwendig. Die „Firma“, also alle Mitarbeiter, die Produkte, die Produktionsweise, Maschinen, Management und die Köpfe müssen mit dem „neuen“ klarkommen. Man muss damit leben, man muss die neuen Stärken und Schwächen verstehen, kennen und damit umgehen. Denn eine Investition bedeutet immer Veränderung, und das nicht nur an einer Stelle, sondern an jeder.

D.h. der Sprung von einer Investitionsstufe zur nächsten, also das Delta, muss überwunden werden. Dabei muss man verstehen, dass dieses Delta nicht zu groß ist. Es muss überschaubar sein, es muss im Unternehmen insgesamt umgesetzt werden, in jeder Abteilung, in jedem Kopf. Wenn dabei irgendetwas, also Abteilung, Menschen, Prinzipien, nicht mitgenommen wird, ist das Gesamtprojekt als gescheitert zu bezeichnen. Die Effizienz wird nicht erreicht, es entsteht Unzufriedenheit, es wird nur das Negative des Neuen gesucht und gefunden. Widerstände im Unternehmen steigen.

Leider ist es auch so, wenn man von einer Investitionsstufe zur nächsten will, wird das Delta immer größer, dadurch die Herausforderungen immer größer. D.h. wenn der Sprung zu groß ist, kann es nicht funktionieren, der nächste Sprung wird noch weniger funktionieren. Es muss immer mehr Energie in die Widerstände im Unternehmen notwendig. Warum ist es so: Die Auswirkungen werden immer ganzheitlicher, da ja immer mehr in die Digitalisierung eingebunden wird.

Und nochmals: Es geht in keinster Weise um Geld von Banken oder Fördertöpfe, es geht nicht darum, Arbeitsplätze abzubauen, sondern genau andersherum, Arbeitsplätze zu halten, Geld zu verdienen.

Wichtig dabei: Schulungen sind nur dazu da, die neue Infrastruktur zu nutzen, nicht mit ihr zu arbeiten. Das sind die Köpfe. Nur wenn alle diese „Transformation“ mitmachen und leben, ist man als Betrieb in der Lage, dieses Investitionsdelta abzuarbeiten.

Nur ein kleines Beispiel, woran z.B. eine Digitalisierung massiv Probleme machen kann: Mein Vater hatte Hände die mindestens doppelt so groß waren wie meine, eben von manueller Arbeit geprägt. Wie soll solch ein Mann ein kleines Mäuschen vernünftig an einem Bildschirmarbeitsplatz bedienen, um z.B. ein 3D Modell zu betrachten, um zu verstehen, wie man das Möbel zusammenbaut? Wenn er einen Linksklick auslöste, waren eigentlich immer alle 2 Tasten und das Rädchen gleichzeitig gedrückt. Zum Glück gibt es heute Touchscreen, damit geht es besser, wenn das alles eben nicht so filigran ist. Für ihn selber war daher ein Computer nix positives, hat aber die Digitalisierung massiv weitergetrieben, und das in einem 5 Mann Handwerksbetrieb. Wahnsinn. Da sieht man: Ein guter Ansatz, von 2D auf 3D zu wechseln ist toll, doch wenn man das alles bis zum Ende macht, kommen ganz andere Hürden auf einen zu. Und für solch einen Mann extra eine 2D-Zeichnung anzufertigen – das ist dann von mir ohne Kommentar.

Also, bei jeder Investition nicht nur das Geld, sondern das Ganze betrachten, die Veränderung im System betrachten. Und um die Firma nicht zu überfordern, darf dieses Delta nicht größer sein, wie das schwächste Glied in der vorgegebenen Zeit abarbeiten kann.

Eine Investition ist eine Investition in die Firma. Nicht nur in der Buchhaltung, sondern insbesondere in den Köpfen, im Feeling, in der Experience.

Ach ja, manch einer wird sich sicher über 4D und 5D wundern. 4D ist ein 3D-System, in dem die Historie mit betrachtet wird, also z.B. ein Feature-Modellierer. Ein 5D-System geht dann noch weiter, in dem es das Empfinden, das Erlebnis einer Konstruktion berücksichtigt. Das Ganze mündet letztendlich in einem Industrie 4.0 Gedanke. Doch das mal in einem weiteren Blog…

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